Geschichten vom Schilderförster: Der Oberhase

Und bald ist es wieder soweit. Im Schilderwald beginnt der Krokus zu blühen und der Förster bittet den Lenz herein. Die Müßigkeit unter der schweren Decke des Winters findet schleichend sein Ende und ein leichteres Treiben belebt allmählich den Wald. Ostern steht vor der Tür und eröffnet offiziell die Feiertags-Saison. Und damit kehrt auch die spannende Frage zurück, wer denn bitte die Arbeit macht, während die Kollegen ihre freien Tage genießen.

Es gab jedoch auch eine Zeit, da hätte ich mir gewünscht, es käme überhaupt so etwas wie Spannung auf. Das Dumme war nur, es schien besagte Frage noch gar nicht zu geben. So stellte sich Ostern höchstens eine Frage: Wie verhalte ich mich zu dem Fakt, dass ich keine für den Erhalt der Gesellschaft wichtige Aufgabe erfülle und trotzdem arbeiten muss?

Wir sind bei unserer Arbeit an behördliche Fristen gebunden und diese sind gnadenlos! Wenn ein Kunde an einem bestimmten Tag seine Halteverbotszone wünscht, dann ist diese in der Regel volle vier Tage zuvor einzurichten und da spielt es überhaupt gar keine Rolle, ob dieser sogenannte Aufstelltag auf Weihnachten oder Karfreitag fällt. Zum Glück oder in diesem Zusammenhang korrekter Weise leider, wird unser Konzept so gut angenommen, dass wir an acht Tagen in der Woche Schilder aufstellen könnten, was zur Folge hat, dass wir Sonn- und Feiertage fast nie vorarbeiten können. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ist das klasse! Aber teile ich diesen auch als Arbeitnehmer? Ich würde sagen, diese Erkenntnis kam erst mit der Zeit.

Am Anfang war es natürlich bescheuert, an Feiertagen zu arbeiten. Ja, teils empfand ich es sogar als erniedrigend, da ich nicht die Schwester in der Notaufnahme war, sondern nur ein Typ, der sich für Leute bückte, die vielleicht gerade an der Elbe liegen und sich in der ersten Sonne… Alter, näh!

Aber als ich begriffen hatte, worum es geht und zwar um den Erhalt eines guten Arbeitsplatzes – nicht nur um meinen, sondern sowohl um den der Kollegen als auch um den vom Chef, der ja ebenfalls nur so’n Typ ist – stellte sich mir eine neue Frage: Wie verkaufe ich meine Tätigkeit an einem Feiertag?

An Feiertagen kommt es nämlich regelmäßig zu Begegnungen mit Menschen, die auf einer Bandbreite von verständnislos bis mitleidig fragen, warum ich in Gottes Namen heute arbeite. Nun, ich möchte die Firma in solchen Situationen keinesfalls herzlos oder gar ausbeuterisch aussehen lassen. Doch um den Sachverhalt so darzulegen, dass ich den Leuten letztlich ein verständiges Nicken entlocke, fehlt es beiden Seiten gewöhnlich an Geduld. Also habe ich eines schönen Ostersonntags beschlossen, dass ich der Boss bin!

Am Rothenbaum begegnete mir damals ein gutsituierter, älterer Herr. Mit hörbarer Verständnislosigkeit fragte er mich also, wie ich denn bitte auf die Idee käme, an Ostern zu arbeiten. Ich schaute ihm mit meinem wärmsten Lächeln in die Augen und sagte:   „Ja, sie wissen doch sicher wie das ist…“. Dann machte ich eine kurze Pause und legte meinen Ellenbogen lässig auf der Pritsche ab.  „…ich habe meinen Jungs über die Tage frei gegeben, damit sie bei ihren Familien sein können. Aber die Arbeit ruht ja nie.“

Ja, er wusste genau wovon ich sprach! Er hatte es in seinem Leben zu was gebracht und nickte mir voller Verständnis und Anerkennung  zu. „Guter Arbeitgeber“, dachten wir beide und gingen auseinander…

N. 16.03.13