Geschichten vom Schilderförster: Treppenwitz Teil 2

–Guten Tag, sagte ich und trat unter das Fenster. Irgendwie hatte ich die Hoffnung, vernünftig mit ihr reden zu können. Wie sich herausstellte, lag ich damit vollkommen daneben.

–Was machen Sie hier, verschwinden Sie dahin, wo Sie herkommen, fauchte sie von oben herab. Ja, was mache ich hier, so langsam begann ich, mich das auch zu fragen. Inzwischen war der Herr des Hauses wieder erschienen, fest entschlossen, sich an dem verschraubten Schild einen Bruch zu heben. Ich ging zu ihm und sagte, er solle sich doch bitte nicht solche Mühe geben, sich am Ende noch zu verletzen. Er schnaufte und gab auf, während ich ihn ein letztes Mal bat, mir zuzuhören. Feindselig sah er mich an und stellte fest, dass er mit so etwas wie mir nicht reden werde, ich würde seine Sprache doch ohnehin nicht verstehen, und als ob das alles noch nicht genug gewesen wäre, unterstellte er mir auch noch, unter Einfluss „verbotener Substanzen“ zu stehen. Dann verschwand er wieder im Garten, und ich blieb sprachlos zurück. Im Kopf ging ich jedes Wort noch einmal durch, und am Fenster über mir stand eine ältere Dame, die mich fortwährend mit Blitzen durchbohrte. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich bei diesen Herrschaften kein Gehör finden werde, egal wie geduldig ich bleibe.

Zwanzig Minuten später stiegen ein erfahrener Hauptwachtmeister und zwei sehr junge Beamte aus dem Peterwagen. Während die beiden  Männer zu den aufgebrachten Eheleuten hinüber gingen, stellte sich die junge Polizistin zu mir. Ich weiß nicht, was sie wusste. Doch ihr Blick sollte mir wohl sagen, schön blöd oder, jetzt hast du Zwangspause und fühlst dich hilflos, oder? Naja mach dir nichts draus, ich kenne den Fall schon, wir regeln das! Und ich dachte, danke für dein Verständnis.

Während drüben auf der anderen Straßenseite die Befragung lief, drangen weitere Verleumdungen an mein Ohr. Inzwischen war der Mann verschwunden – wahrscheinlich das Herz – und eine Nachbarin ließ sich interessiert von meiner Widersacherin schildern, mit welcher Aggression ich gegen ihren Mann vorgegangen und nicht zurechnungsfähig sei, man müsse sich den doch nur mal ansehen und so weiter und sofort… Es geht in solchen Situationen ja weniger um mein persönliches Befinden als vielmehr um den Ruf der Firma. Spätestens, als eiskalt Lügen verbreitet wurden, ging ich rüber. Dort stellte sich heraus, dass ich die schweren Schilderfüße mit Wucht gegen die Hauswand geworfen haben soll. Nun sei das Haus hinüber und drinnen ist das gute Porzellan aus den Regalen geflogen. Als Beweis hierfür wurden Haarrisse im Putz des zweihundert Jahre alten Hauses angeführt! Ich schaute mich hilfesuchend zu der jungen Beamtin um. Sie zuckte mit den Schultern und verdrehte ihre Augen, als wolle sagen, tja mein Lieber, da kann man nichts machen, die Oma spinnt. Und ich dachte, tja, da hast du wohl recht…

 

N.