Geschichten vom Schilderförster: Kein Treppenwitz

Als ich wegfuhr, folgte meiner Aufregung die keineswegs neue Erkenntnis, dass selbst im beschaulichsten Idyll das Böse ein Zuhause hat. Bevor ich beginne, möchte ich alle Bewohner des Blankeneser Treppenviertels, mit Ausnahme zweier, um Entschuldigung bitten, denn Ihr wunderbares Dorf ist in meinen Augen der zauberhafteste Ort Hamburgs und verdient wahrlich nur wohlklingende Lieder. Doch leider spielt genau dort die unglaublichste Episode, welche der Förster zu berichten hat:

Umständlich manövrierte ich in die enge Einfahrt gegenüber und hoffte, dass ich für die kommenden Minuten hier unbehelligt stehen konnte. Dann öffnete ich die Pritsche und schnappte mir einen Schilderfuß, den ich über die schmale Fahrbahn trug. Auf der kleinen, betonierten Fläche zwischen Fahrbahn und Hauswand befanden sich bereits zwei so genannte Big Bags, für die ich das Halteverbot einrichten sollte. Im Grunde war für meine Schilder dort gar kein Platz mehr! Ich ließ den Schilderfuß aus Hüfthöhe an seinen erkorenen Platz fallen. Zugegeben, ich machte mir in diesem Moment wirklich keine Gedanken, wie laut dies durch ein zweihundert Jahre altes Puppenhaus dringen mochte. Ein Fehler! Kurz darauf durfte ich nämlich verblüfft einem älteren Herrn dabei zusehen, wie er die Fußplatten aufhob und beherzt in die Big Bags verfrachtete!

– Entschuldigung, rief ich, können sie mir verraten, was sie da machen? Keine Antwort, er verschwand hinter der Gartenpforte im Dickicht. Ich ging hinüber und holte die Fußplatten aus dem Schuttbehälter und legte sie zurück an Ort und Stelle. Ratlos ging ich zum Wagen zurück, um das nächste Schild vorzubereiten. Als ich mich wieder dem Haus zuwandte, war der alternde Herkules erneut am Werk, die Gewichte energisch in den Big Bags zu versenken! Wiederum sprach ich ihn an, diesmal etwas energischer und auf der Fahrbahn ein paar Schritte entgegentretend. Abermals ignorierte er mich und verschwand im Garten. Okay, ein zweites Mal holte ich mein Material aus dem Müll und legte es zurück. Kaum hatte ich das erledigt, kam der Kerl zurück und machte sich schon wieder an den Platten zu schaffen.

– Entschuldigung, was machen sie da? Ich habe eine behördliche Anordnung hier Halteverbote aufzustellen! Er sah mich nicht einmal an,

– Was sind sie nur für ein unverschämtes Subjekt? Verschwinden sie sofort von meinem Grundstück! herrschte er mich an und verschwand wieder im Garten. Grundstück, dachte ich, was für ein Grundstück? Diesmal gab ich Gas. Ich schnappte mir den Akkuschrauber, eine Spax, schulterte das Schild, joggte hinüber, platzierte die Schilderfüße, steckte das Schild hindurch und verschraubte den Mast von unten mit der unteren Fußplatte. So mein Lieber, dachte ich, jetzt will ich mal sehen, wie du DAS zurück in den Big Bag bekommst!? Da ging ein Fenster in dem kleinen Haus auf und die Dame des Hauses kam zum Vorschein…

 

N. 24.03.13

Kein Treppenwitz – Teil I