Machbar oder nicht? Senioren tauschen große Wohnung mit Familien

 

Ist das die Lösung für Großstädte und Ballungsräume, in denen Familien dringend nach größeren Wohnungen suchen? Sollten alleinlebende Senioren aus großen in kleinere Wohnungen umziehen, um Familien mehr Wohnraum zu verschaffen? Ein umstrittenes Thema.

Das Portal Merkur.de berichtet von einer alten Dame, die schon mehr als die Hälfte ihres 76jährigen Lebens in einer 5-Raumwohnung lebe  – seit dem Auszug der Kinder vor Jahren und dem Tod ihres Mannes vor einem Jahr ganz allein. Seitdem habe sie zwei der fünf Zimmer komplett verschlossen. Sie brauche demnach nur noch ihr Schlaf- und Wohnzimmer und ab und an das Gästezimmer. Die verschlossenen Zimmer brauche sie auch nicht mehr zu putzen, ist zu lesen. Ein Beispiel, das für viele stehe, schreibt der Merkur dazu.

Dann zitiert das Portal den Präsidenten des Bundesverbands der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko. Der GdW hatte gerade in Berlin Zahlen zum deutschen Wohnungsmarkt veröffentlicht, darunter die Zahl 1.000.000 – eine Million. So viele Wohnungen würden deutschlandweit fehlen, weil in den vergangenen Jahren zu wenig gebaut worden sei. Gedaschko sagt, dass unter dem Wohnungsmangel am meisten junge Familien leiden würden, denn wer ziehe um, fragt er und beantwortete die Frage so: Vor allem junge Menschen auf Jobsuche oder etwas ältere, die eine Familie gründen würden. „Je älter die Menschen werden, desto weniger ziehen sie normalerweise um“, fügte er demnach noch hinzu. Statt Umzug blieben sie in  Wohnungen, die manchmal viel zu groß für sie seien.

Mit den steigenden Mieten verschärfe sich ein altes Phänomen, ist im Bericht weiter zu lesen: Weil die Bestandsmieten langsamer steigen würden als die Neuvertragsmieten, lohne es sich für viele Leute nicht mehr, umzuziehen, sagt Michael Voigtländer, der Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, gegenüber dem Merkur. Wer eine günstige Wohnung habe, gebe sie nicht mehr her, ergänzt er. Voigtländer rechne laut Merkur.de mit Blick auf die angespannten Wohnungsmärkte in Großstädten, Ballungsräumen und Uni-Städten damit, dass dieser Effekt sich noch verstärke.
Da fragt der Merkur, ob es angesichts dieser Fakten nicht naheliege, dass Senioren und junge Familien ihre Wohnungen einfach tauschen würden und führt an, dass Robert Feiger, Chef der Baugewerkschaft IG Bau, vor einer Weile 5.000 Euro Umzugsprämie für Senioren vorgeschlagen und für seinen Vorschlag Empörung geerntet hätte, weil damit der Anschein erweckt werde, dass Senioren in Wohnungen wohnten, die ihnen nicht zustünden.

Zugleich nennt der Merkur beispielhaft Wohnungsunternehmen, die schon vor Feigers Vorstoß in ebendiese Richtung gegangen seien:

Die städtischen Wohnungsunternehmen in Berlin etwa würden demnach seit drei Jahren bei ihren Mietern dafür werben, sich wohnungsmäßig zu verkleinern, wenn der Haushalt geschrumpft sei. Wer auf mindestens ein Zehntel seiner Wohnfläche verzichte, solle danach nicht mehr bezahlen als zuvor. Das erklärte dem Merkur zufolge David Eberhardt, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen. Wer bedürftig sei, bekomme demnach 1.500 bis 2.500 Euro als Umzugszuschuss.
Der Potsdamer Vermieter Gewoba locke mit Umzugszuschüssen und reduzierter Miete, wenn sich Mieter verkleinern wollen.
In Wien hätten Mieter städtischer Wohnungen sogar Anspruch auf Wohnungstausch. Wer über 65 sei, könne nach dem Umzug in eine kleinere Wohnung mit einem Drittel weniger Miete rechnen.
Die Schweiz gehe demnach sogar noch einen Schritt weiter: Bei zwei Drittel aller Genossenschaftswohnungen seien Mindest-Bewohnerzahlen vorgeschrieben. In der Regel gelte: Personenzahl gleich Zimmerzahl plus 1, heiße es beim Verband der Schweizer Wohnbaugenossenschaften.
Für Berlin bringt der Bericht des Merkur konkrete Fakten: „Die Fallzahlen dümpeln bei etwa 200 pro Jahr – bei 300.000 Wohnungen“, wird Verbandssprecher Eberhart zitiert. Er fügt noch an, dass die Leute nicht umziehen wollten, weil sie gerne in ihren großen Wohnungen leben würden. Ein Umzug bedeute für sie auch, „sich von Möbeln und lieb gewonnenen Erinnerungsstücken zu trennen“. Das sei Eberhart zufolge gerade für ältere Menschen eine heftige Entscheidung.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen sehe das auch so, lehne laut Merkur.de das Thema Wohnungstausch jedoch nicht rundweg ab: Wenn der Umzug / Tausch auf einer freiwilligen Basis passiere, spreche nichts dagegen, habe die Sprecherin Ursula Lenz dem Merkur gesagt. Viele Senioren sähen ihr zufolge ein, dass junge Familien Wohnraum bräuchten. Außerdem führe der Umzug in eine seniorengerechte Wohnung am Heim vorbei – was für Senioren, die im fünften Stock ohne Aufzug wohnen würden, eine reale Gefahr sei. Zugleich habe Lenz betont, dass kein Druck ausgeübt werden dürfe.
Ihr zufolge würde nur persönliche Ansprache Senioren zum Umzug motivieren. Wobei notwendig sei, dass jemand mit den alten Menschen gemeinsam die neue Wohnung besichtige, mit ihnen die Vor- und Nachteile abwäge und schließlich auch zusammen den Umzug plane. Es sei nicht damit getan, dass der Staat den Möbelwagen bezahle. Mindestens für eine Woche bräuchten alte Menschen jemanden, der ihnen helfen würde, den eigenen Haushalt zu verkleinern.