Wegen Umzug? Zahl studierender ohne Abi sinkt

Die Zahl derer, die an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen studieren, ohne ein Abitur zu besitzen, sinkt. Das sagt das Wissenschaftsministerium und nennt als Hauptgrund dafür einen Umzug.

In Nordrhein-Westfalen könne man auch ohne Abitur zu studieren: Interessierte Meister aus dem Handwerk, Fachwirte und andere Personen mit einem Berufsabschluss und mindestens drei Jahren Berufserfahrung würden die Voraussetzungen erfüllen und könnten als sogenannte „beruflich Qualifizierte“ eine Hochschule des Bundeslandes NRW besuchen. Als Berufspraxis zähle beispielsweise auch das Erziehen von Kindern oder die Pflege Angehöriger, schreibt der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in seinem Onlinebericht.

Doch gleichwohl es solche Wege gebe würden immer weniger Menschen sie in NRW nutzen. Die Antwort des Kultur- und Wissenschaftsministeriums auf eine Kleine Anfrage der SPD habe demnach gezeigt, dass seit dem Wintersemester 2016 fast ein Drittel weniger beruflich Qualifizierte an den NRW-Hochschulen studieren würden.

Habe es dem Ministerium zufolge im Wintersemester 2016 noch fast 20.000 Studierende ohne Abi in NRW gegeben, seien es im Sommersemester 2021 nur noch knapp 14.000 gewesen. Und das obwohl insgesamt ungefähr gleich viele Menschen in NRW studieren würden wie vor fünf Jahren, nämlich rund 750.000.

Weniger Studierende ohne Abi in NRW: wegen Umzug

Das Wissenschaftsministerium hätte dem WDR-Bericht zufolge in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage auch geschrieben, dass auch die „Verlagerung von Hochschulstandorten außerhalb von NRW“ dafür verantwortlich sei, dass inzwischen weniger Menschen ohne Abi in Nordrhein-Westfalen studieren würden.

Das habe der genauer wissen wollen und nachgefragt. Das Ministerium habe dem WDR daraufhin geantwortet, dass es damit den Umzug der Internationalen Hochschule IU von Bad Honnef nach Thüringen im Jahr 2019 meinte.

Wegen des Umzugs der IU habe NRW rund 3.700 beruflich Qualifizierte weniger in der Statistik. Nach weiteren Gründen gefragt, warum nun weniger Menschen ohne Abitur in NRW studierten, habe das Ministerium dem WDR geschrieben, dass ihm hierfür „keine Erkenntnisse vorliegen“ würden.

Laut dem WDR halte auch Sigrun Nickel, Expertin für das Thema Studieren ohne Abitur beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh, das mit der Bertelsmann-Stiftung verknüpft sei, es für plausibel, dass Wegzug der IU die Zahl der Studierenden ohne Abi in NRW verringert habe.

Zugleich gelte jedoch die Fernuniversität Hagen mit Sitz in NRW die in Deutschland am stärksten für das Studium ohne Abitur nachgefragte Hochschule. Sie liefere für das Bundesland eine ordentliche Basis für hohe Zahlen für Studierende ohne Abi.

Zahl Studierender ohne Abi in NRW liegt unter dem bundesdeutschen Schnitt

Aktuell, so schreibt der WDR weiter, mangele es insbesondere dem Handwerk an Personal. Menschen ohne Studium, aber mit handwerklicher Ausbildung hätten demnach deshalb aktuell gute Jobchancen. Der WDR fragt, ob sich daher mehr Menschen ohne Abitur trotz der Möglichkeit bewusst gegen ein Studium entscheiden würden, weil dafür schlicht keine wirtschaftliche Notwendigkeit bestehe?

Expertin Nickel glaube das nicht. Denn bezogen auf ganz Deutschland würden immer mehr Menschen ohne Abitur eine Hochschule besuchen. Nicht zuletzt, weil auch die Medien immer wieder deutlich machen würden, dass man mit einem Hochschulabschluss auf dem Arbeitsmarkt relativ krisensicher aufgestellt sei. Der Trend sei Nickel zufolge ungebrochen.

Wobei er auf Nordrhein-Westfalen nicht zutreffe: Der Statistik des NRW-Wissenschaftsministeriums zufolge habe im Wintersemester 2020/2021 der Anteil von Studierenden ohne Abi bei 1,8 Prozent der Studierenden insgesamt gelegen. Damit liege NRW deutlich hinter Spitzenreiter Thüringen mit 7,1 Prozent und auch unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 2,0 Prozent.