Geschichten vom Schilderförster: Frau aus Schweden

Ich bin der festen Überzeugung, dass niemand, der auf einen Piloten oder Feuerwehrmann trifft, diesen duzen würde. Als Dienstleister wiederum, der auf der Straße arbeitet und dort mal mehr und mal weniger betont lässig seine Halteverbotsschilder verteilt, scheinst du häufig nicht des Siezens würdig zu sein. Und hierbei bitte ich die Wortwahl zu beachten. Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts gegen’s duzen! Von mir aus können wir uns alle rund um die Uhr, brüderlich mit Herz und Hand, duzen. Gar kein Problem…,wenn es Konsens wär. Ist es aber nicht!

Gelegentlich werde ich geduzt, weil ich eine Tätigkeit ausübe, welche von bestimmten Menschen als primitive oder sogenannte Hilfsarbeit angesehen wird. Dieser Logik zufolge stehen Leute wie ich, die solche Arbeiten ausüben, in der Weltsicht jener Menschen mutmaßlich unter ihnen und sind somit des Duzens würdig. Und das finde ich problematisch! Nun bin ich wirklich kein Klassenkämpfer und auch nicht unbedingt als Pedant bekannt, doch ich verachte Respektlosigkeit und Hochmut. Oft begrüße ich es sogar, wenn mich Passanten ansprechen, um nach unseren Preisen zu fragen oder schlicht wissen möchten, wie sie Schilder bestellen können, und mich duzen. Selbst wenn mir jemand erzählen will, wie ich meine Arbeit zu machen hätte, kommt es ganz auf dessen Auftreten an. Gewöhnlich genügt ein bestimmter Blick und es ist vollkommen okay! Ich finde es viel vertraulicher, zu duzen – Vertrauen ist Selbstbewusstsein! Wir können davon ausgehen, dass eine Gesellschaft die sich duzt, miteinander verbundener ist. Das Duzen, welches ich hier jedoch verurteile, wird im genauen Gegenteil verwandt – nämlich zur Abgrenzung!

Letztens in Eppendorf (ja, leider)… und ich wette, wenn ich im Peacoat aus meinem Saab gestiegen wäre, statt in Playmobilklamotten von meiner Pritsche zu hopsen, wäre die Sache gänzlich anders verlaufen und er hätte mich aber sowas von gesiezt! Der Inhaber wirkte nett, als er vor den Laden trat, etwa in meinem Alter, vielleicht etwas jünger, aber nicht älter. Ich argwöhnte, dass es ihm missfiel, dass ich ausgerechnet vor seinem Schaufenster Schilder aufbaute. Sein Aussehen heuchelte den legeren Typen, der er ganz und gar nicht war. Alles war falsch und unangebracht, ginge gar nicht und sei sowas von daneben. Natürlich wurde ich von vornherein geduzt und mir mit energischer Geste jegliche Kompetenz abgesprochen. So mag ich es! Da ich ja das Duzen selbst als etwas Vertrauliches gebrauche, sieze ich ihn zunächst bei meinen höflichen Beschwichtigungen. Keine Chance!

Irgendwann langte es mir und ich duzte ihn meinerseits, um klar zu stellen, dass wir beide immer noch auf ein und demselben Gehweg wandelten. Er fiel mir echauffiert ins Wort, natürlich weiterhin dutzend und zitierte ausgerechnet jenen Spruch, den offenbar jeder bringt, der es missbilligt, selbst geduzt zu werden. – WAS!? SAG`MAL, KENNEN WIR UNS? Die Maske fällt und im selben Moment weicht alle Anspannung – Oh, – sage ich, – Entschuldigen sie bitte, manchmal passiert mir das leider ganz unbewusst, wissen sie, wegen meiner schwedischen Frau -,… Mann, dachte ich, wie blöd manche Leute gucken können!
N.